Die Nordstadtliga im Porträt

Straßenfußball-Liga im Dortmunder Norden

Zwischen Toren und Teilhabe: Die Nordstadtliga in Dortmund

Teilhabe durch Sport ermöglichen: Das möchte die Nordstadtliga in Dortmund erreichen. Der Verein setzt sich zum Ziel, Kindern und Jugendlichen aus dem Bezirk ein gesundes Hobby möglich zu machen. Wie das gelingt, verrät Mirza Demirović im Porträt.

Vom Dortmunder Borsigplatz liegt nur wenige Meter entfernt der Max-Michallek-Platz. Zentral darauf steht ein noch neuer Fußballkäfig für die Kinder und Jugendlichen der Nordstadt. Er soll ihnen Freude bringen und für Zusammenhalt sorgen.

Hier sind Mirza Demirović und sein Team sieben Tage die Woche im Einsatz, um Kindern und Jugendlichen in der Nordstadt eine Perspektive zu geben. In ihrer Nordstadtliga können sie Fußball spielen. Das Besondere: Das Angebot ist kostenlos für die Familien der Kinder.

"Wir wollen freie Trainings für Jungs und Mädchen anbieten, die aus verschiedenen Gründen nicht an dem normalen Vereinsleben teilnehmen können", sagt Demirović. Zu den Gründen gehören unter anderem prekäre Lebenssituationen, in denen die Kinder und Jugendlichen aufwachsen. Teil der Nordstadtliga sind Kinder von Sozialleistungsempfänger*innen oder Kinder und Jugendliche, für die Vereinsleben beispielsweise nicht wegen des dort vorherrschenden Leistungsdrucks geeignet ist.

Auch Kinder, deren Familien sich eine Vereinsmitgliedschaft nicht leisten können, können hier spielen. Die Nordstadtliga hat sich das Ziel gesetzt, jungen Menschen verschiedener sozialer und kultureller Hintergründe eine gesunde Freizeitbeschäftigung zu ermöglichen. Mirza Demirović arbeitet seit rund zwölf Jahren für das Projekt, das 2001 ins Leben gerufen wurde. In der jüngsten Saison haben 400 Kinder und 50 Mannschaften in der Nordstadtliga gespielt.

Durch Selbstständigkeit zu Selbstvertrauen

Neben dem Fußballkäfig spielen die Kinder und Jugendlichen auch im Nordstadtliga-Stadion in der Burgholzstraße unweit des Nordmarkts. Die Nordstadtliga ist eine eigenständige Liga, die außerhalb des normalen Ligabetriebs zwölf Wochen im Jahr Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet, Fußball zu spielen. Die Fußballspieler*innen sind dort selbstständig für die Organisation der Mannschaften verantwortlich.

Deshalb entscheiden sie allein, wann trainiert wird, wer welche Positionen spielt oder wie die Mannschaft heißen soll. "Wir als Nordstadtliga-Team schaffen die Rahmenbedingungen", sagt Mirza Demirović. Dass sich die Kinder selbstständig um alles kümmern, gebe ihnen Selbstvertrauen und Motivation. Zusammen mit seinem Team kümmert sich Demirović um Trainings, Events und Elterngespräche für die Kinder und Jugendlichen sowie um Spendenaktionen.

Er ist selbst im Alter von 16 Jahren als Geflüchteter aus Bosnien und Herzegowina nach Deutschland in die Dortmunder Nordstadt gekommen. Fußballspiele im BVB-Stadion zu gucken, war damals finanziell schwierig für ihn. Bei seiner damaligen Arbeit ist er das erste Mal an zwei Karten für ein Spiel gekommen. Ihm war sofort klar, dass er seinen Vater mit ins Stadion nehmen will. Seinem Vater zu ermöglichen, mit ihm ins Stadion zu gehen, sei für ihn ein schönes Gefühl gewesen, sagt Demirović.

Für den heute 46-Jährigen war deshalb klar, dass er es den Kindern und Jugendlichen aus der Nordstadt ermöglichen will, ins Stadion gehen zu können - aber auch ihren Familien. Die Nordstadtliga arbeitet dabei eng mit der BVB-Stiftung "Leuchte auf", dem Jugendamt Dortmund, den AWO-Streetworkern sowie dem Fan-Projekt Dortmund e. V. zusammen. Durch die finanzielle Unterstützung der BVB-Stiftung können die Kinder und Jugendlichen der Nordstadtliga bei einigen Heimspielen selbst ins Stadion zu gehen.

Auch versucht die Nordstadtliga unter anderem mit angrenzenden Imbissbuden oder Cafés zusammenzuarbeiten und den Kindern und Jugendlichen Essensgutscheine zur Verfügung zu stellen. Denn die finanzielle Situation der Kinder und Jugendlichen lasse oftmals nicht zu, sich unterwegs einfach mal einen Döner oder eine Waffel zu holen, so Demirović. Bei Events, Turnieren oder Spielen werden diese Gutscheine verlost.

Nordstadtliga möchte Respekt und Fairness beibringen

Einige der Kinder und Jugendlichen seien in der Schule verhaltensauffällig, erzählt Demirović. Ihnen Respekt und Fairness beizubringen, ist ein großer Teil der Arbeit der Nordstadtliga. Daher setzt sich das gesamte Trainer*innen-Team nach jedem Turnier oder Spiel zusammen und bewertet die Respektleistung der Kinder und Jugendlichen. In die Bewertung fließt beispielsweise ein, wenn jemand aus dem Team ein anderes Mitglied beleidigt hat.

Neben dem Ligapokal können die Kinder und Jugendlichen auch einen Respektpokal gewinnen. Der Pokal ist nicht nur größer als der Ligapokal - gewinnen die Kinder und Jugendlichen diesen Pokal, werden sie mit dem BVB-Mannschaftsbus in der Nordstadt abgeholt und dürfen später in der Kabine der großen Fußballer stehen. Auch werden sie von Profis trainiert und zum Abschluss für die Respektleistung geehrt, in der Vergangenheit beispielsweise von BVB-Mannschaftstrainer Edin Terzić. "Bei dieser Tabelle geht es darum, das Verhalten der Kinder zu würdigen, um ihnen auch durch den Fußball gesellschaftliche Normen und Werte mitzugeben", erzählt Demirović.

Gesellschaftliche Teilhabe durch Fußball

In der Nordstadtliga spielen nicht nur Jungen - seit eineinhalb Jahren spielt auch die Mannschaft der "Nordstadtliga Queens", wie sie sich selbst nennen. In der letzten Saison sind vier Mädchenmannschaften zum ersten Mal gegen andere Jungenmannschaften angetreten. Demirović ist begeistert von der Entwicklung der Mädchen: "Egal wo wir hingehen, wollen sie zocken. Sie gehen mit ins Stadion, sind laut, fahren mit der Bahn ins Stadion und stimmen Fanlieder ein", erzählt er. "Mittlerweile sind sie so selbstbewusst und so stark. Es ist wahnsinnig, was für eine Sicherheit sie ausstrahlen und welche Kraft sie entwickeln".


Von den Kindern und Jugendlichen bekäme er viel zurück. "Mein Herz ist voll", erzählt Demirović. Die Nordstadtliga möchte mit ihrem Angebot ihre Spieler*innen aktiv in die Gesellschaft einbinden. "Das Wichtige ist, dass du daran glaubst, dass du das Leben der Kinder und Jugendlichen in diesem Stadtteil verändern kannst", sagt Demirović.

Autorin und Fotos:
Tabea Bremer

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